Die Ausgabe letzter Hand

Die luxuriösen Editionen Baskervilles, Didots und Bodonis wurden zum Vorbild für Göschens gewagtestes Unternehmen: Die Wieland-Gesamtausgabe letzter Hand. Schon lange hatte Wieland eine Summe seines Schaffens ziehen wollen, doch sein Verlag, die Weidmannsche Buchhandlung, mochte darauf nicht eingehen. Göschen sah im Wunsch des Dichters seine Chance: Er versprach dem damals bedeutendsten deutsch­sprachigen Autor, ein gedrucktes Denkmal seiner Werke zu schaffen. Erst nach einem aufsehenerregenden Rechtsstreit mit der Weidmannschen Buchhandlung konnte die Ausgabe zwischen 1794 und 1802 erscheinen.

Göschens verwegener Plan sah eine Ausgabe in vier Formaten vor, die jeden Kundenwunsch erfüllen konnte. Eine Normalausgabe auf einfachem Papier sollte billig sein und Nachdrucker abschrecken. Eine lesefreundliche Kleinoktavausgabe auf Velinpapier bediente die Bedürfnisse der vornehmen Damenwelt, eine Großoktavausgabe auf Velin die Wünsche wohlhabender Bibliophiler. Alles übertraf aber die Ausgabe in Großquart, ein wahres Monument und ein Muster dessen, was Druck und Illustration damals leisten konnten. Zusätzlich erschien noch eine Kleinoktavausgabe auf etwas billigerem Schreibpapier, so daß die Edition in insgesamt fünf Varianten zu haben war. Auch organisatorisch waren Herstellung und Vertrieb der Ausgabe, die in sechs Lieferungen zu je fünf Bänden erschien, eine Meisterleistung. Göschen sorgte für beste Papierqualität und richtete seine Druckerpressen nach dem damals höchsten technischen Standard ein. Rückblickend bereute er nur, mangels Kenntnissen nicht selbst am Schriftschnitt gearbeitet zu haben.

Produktion und Absatz der Ausgabe während der Koalitionskriege gestalteten sich als äußerst schwierig, dennoch konnte sie dank Göschens Idealismus und Wielands Beliebtheit erfolgreich abgeschlossen werden. Nur die drei letzten Bände der Edition der Jahre 1805 bis 1811 erschienen nicht mehr in den teuren Varianten.