Leselust und Leseluxus. Wieland in der Buchkunst

Montag bis Freitag • 9 – 16 Uhr • Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Bibliotheksplatz 2 • Anmeldung an der Zentralen Infotheke • Telefon 03641/ 9404100 oder info_thulb@uni-jena.de

Christoph Martin Wieland setzte Maßstäbe. Sein Aufstieg zum angesehensten deutschen Schriftsteller seiner Zeit verdankt sich nicht allein seinem Schreiben und Dichten, die Sprache, Verskunst, Roman und Essayistik revolutionierten. Er verkörperte auch einen neuen Typus von Autor, dem Dichtung Beruf wie Berufung war.

Dank seiner aktuellen Themen und seines wandlungsfähigen, eleganten Stils gelang es ihm, neben bürgerlichen Schichten den Adel für deutsche Dichtung zu interessieren.

Mehrere Verleger waren bemüht, Wielands Werke mit hochwertigen Ausstattungen zu versehen. Göschen legte es gar darauf an, Wieland mit den ›Sämmtlichen Werken‹ ein gedrucktes Monument zu setzen. Mit dieser Luxusausgabe eröffnete er einen kostspieligen Wettstreit mit Größen der europäischen Druckkunst wie Baskerville, Didot und Bodoni.

Lesen war Luxus. Schon die Preise rechtmäßiger Normalausgaben lagen durchschnittlich bei einem Reichstaler pro Band – sehr viel Geld selbst für Wieland und Goethe.

Leselust und Leseluxus lagen im 18. und frühen 19. Jahrhundert also nahe beieinander. Heute, da sich Schrift und Papier immer mehr voneinander lösen, intensiviert sich die Aura des gedruckten Buches wieder, zumal, wenn, wie hier, Meisterwerke der Druckkunst präsentiert werden.

Nur wenigen Autoren wurden schon zu Lebzeiten solch große Aufmerksamkeit und Sorgfalt zuteil; bislang galten sie allein den Klassikern der Antike oder den Prachtwerken für den Hochadel. Die Drucke von Wielands Werken illustrieren zugleich auf das Anschaulichste die Geschichte der Buchkunst – nicht nur der deutschen, sondern der europäischen; auch hier hinterließen seine Werke Spuren in der Illustration und im typographischen Kunstbuch, bis in die Gegenwart hinein.

Die Vitrinen

Wielands Anfänge

Kupferstich und Buchdruck

Zürich: Salomon Geßner

Leipzig: Weidmanns Erben und Reich

Weimar: Welterfolg ›Oberon‹

Selbstverlag

Vom Selbstverlag zu Göschen

Buch- und Druckkunst

Die Ausgabe letzter Hand

Wielands Editoren

Wieland im Almanach

Bibliophilie

Wielands Anfänge

Wielands literarische Karriere beginnt mit einem Paukenschlag: Der Hallenser Philosophieprofessor und angesehene Literaturtheoretiker Georg Friedrich Meier gibt Wielands ›Die Natur der Dinge‹ (1751) in den Verlag Carl Hermann Hemmerdes. ⓐ Hemmerde ist der Verleger von Klopstocks ›Messias‹, der aufsehenerregendsten deutsch­sprachigen Dichtung der Zeit. ⓑ

Mit der Publikation bei Hemmerde, die Meier mit einer anerkennenden Vorrede begleitet, kann Wieland einen großen Erfolg verbuchen. Seine ›Natur der Dinge‹ zählt damit – für jeden kenntlich – zur Avantgarde der jungen deutschen Literatur.

Danach kann Wieland zunächst nicht an den Erfolg der ›Natur der Dinge‹ anknüpfen, obwohl noch ein weiteres kleines Werk von ihm bei Hemmerde erscheint. Seine Publikationen der Tübinger Zeit erscheinen bei kleinen lokalen Verlagen in geringer Auflage. Manchmal, wie bei der Dichtung ›Anti-Ovid‹, erschwert auch die Zensur die Verbreitung. ⓒ Die kleinen, unaufwendig gedruckten Hefte heben sich nicht von vergleichbaren Lyriksammlungen der Zeit ab. Nur seine ›Erzæhlungen‹ läßt er – damals höchst ungewöhnlich für eine deutschsprachige Dichtung – in Antiqua drucken, damit erneut seine Modernität unter Beweis stellend.

Inzwischen steht er im Kontakt mit Johann Jakob Bodmer, einem der führenden Literaturkritiker der Zeit und herausragenden Förderer Klopstocks. Bodmer entschließt sich, den jungen Wieland zu fördern und lädt ihn 1753 nach Zürich ein, um bei ihm zu leben und zu arbeiten.

Bereits um 1697 hatte der Universal­gelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz vorgeschlagen, die Frakturschrift durch die in Europa gebräuchlichere Antiqua zu ersetzen, um Ausländern die deutsche Literatur leichter zugänglich zu machen. Der Leipziger Sprachwissenschaftler und Literatur-theoretiker Johann Christoph Gottsched sprach sich 1748 strikt dagegen aus: Die Fraktur sei ein Wesenszug der deutschen Sprache und daher unbedingt erhaltenswert.

Um 1750 greifen junge Autoren Leibniz’ Gedanken wieder auf und unterstreichen Aktualität und internationalen Anspruch ihrer deutschsprachigen Dichtung mit der Verwendung der Antiqua. Vor allem Wielands Förderer und Lehrer Johann Jakob Bodmer setzt die lateinischen Lettern nun konsequent ein. Ein spätes Denkmal seiner Antiqua-Begeisterung ist etwa der Druck der Manessischen Liederhandschrift von 1758. ⓓ

Auch Wieland wird ein leidenschaftlicher Befürworter lateinischer Lettern: »Ich wünschte, daß man sie nach und nach einführte, damit wir nicht die einzigen Goten sind, die noch in Europa sind. Ich bin sehr entschlossen, zur Abschaffung der eckigen Buchstaben zu helfen; aber es müssen ansehnliche Autoren sein, die einer solchen Neuerung Autorität geben.« Noch in Tübingen experimentierte er mit der für Leser deutscher Dichtung neuartig-ungewohnten Schrift. In Zürich erscheinen in der Folge weitere Antiqua-Drucke, wie das Hexameter-Epos ›Der Gepryfte Abraham‹. ⓔ

Kupferstich und Buchdruck

Aufgrund der technischen und technologischen Gegebenheiten war der frühe Buchdruck eine heikle Angelegenheit: Das Holz der Presse verzog sich feuchtigkeits- und temperaturbedingt, der starke Druck trug das Seinige dazu bei, die fixierte Druckform lockerte sich, die gefärbten Bleilettern verschmutzten und verbrauchten sich, blieben zuweilen am Papier haften und wurden dadurch aus der Druckform gezogen. Leicht konnte es so zu Änderungen und Fehlern innerhalb einer Auflage kommen. Dies und die sich im Druck zunehmend verschleißende Kupferplatte sowie individuelle Bindung machen jedes Buch der Handpressenzeit zu einem Unikat.

Beim Kupferstich wird die Farbe nicht auf die aus der Druckform herausragenden Bilderstellen aufgetragen, sondern in die tieferliegenden Rillen der Kupferplatte eingebracht. Hierfür graviert der Stecher die Darstellung in eine Kupferplatte. ⓕ Das weiche, saugfähige Papier wird dann mit einer Walzenpresse tief in die Gravuren gepresst, so daß sich die Farbe auf das Papier abdrückt. ⓖ Deshalb lassen sich bei Kupferstichen oft die Plattenränder erkennen; auch die erhabenen Linien der Farbe auf dem Blatt lassen sich ertasten, wie bei Banknoten, wo das Tiefdruckverfahren noch heute angewendet wird.

Da sich Buchdruck und Kupferstich wegen der gegensätzlichen Druck­verfahren nicht in einem Arbeitsgang erledigen ließen, Buchdrucker und Kupferstecher zudem in unterschiedlichen Zünften organisiert waren, war die Ausstattung eines Buches mit vielen Kupferstichen aufwendig und ging mit einem hohen finanziellen Risiko einher.

Seit dem 17. Jahrhundert erfreuten sich reich illustrierte Ausgaben besonders in Frankreich großer Beliebtheit. Ab 1750 schätzte man vornehmlich klein­formatige Bändchen mit grazilen Vignetten – eine Mode, die sich auch im deutschsprachigen Raum durchzusetzen begann, obwohl die Kunst des Kupferstichs hier noch nicht die Höhe erreicht hatte wie in Frankreich.

Zürich: Salomon Geßner

Der für Wieland wichtigste Verleger Zürichs war Salomon Geßner – selbst ein bedeutender Autor und Illustrator. Seine ›Idyllen‹ von 1756 waren ein europa­weiter literarischer Erfolg. Nicht wenig trug auch die konsequente Verwendung der Antiqua-Schrift zur Verbreitung seiner Werke bei. 1762 veröffentlichte er eine repräsentative vierbändige Ausgabe seiner ›Schriften‹, die er mit eigenen Vignetten reich verzierte. ⓐ

Ab 1773 begann Geßner, von dem Erfolg ermutigt, mit der Produktion großformatiger Luxusausgaben seiner Werke. Um ein internationales Publikum anzusprechen und das verlegerische Risiko gering zu halten, veröffentlichte er den üppig illustrierten Quartdruck eigener neuer Dichtungen zunächst auf Französisch. ⓑ

Geßners Ruhm provozierte besonders im illustrationshungrigen Frankreich kostspielige Verlagsprojekte: Der Künstler François Le Barbier veröffentlichte eine verschwenderisch illustrierte Geßner-Prachtausgabe, die auch während der Krisenjahre der Französischen Revolution ihre Abnehmer fand. ⓒ In seiner Rezension der Ausgabe Le Barbiers sah Wieland in der Produktion derartiger Luxusgüter für die Reichen »beinahe das einzige Mittel, wodurch dem Unheil der übermäßigen Ungleichheit gesteuert und das große Rad im Gang erhalten wird, von dessen beständigem Umwälzen das Leben der politischen Körper abhängt.«

Obwohl Wieland und Geßner seit 1753 freundschaftlich verbunden waren, so agierten sie doch in ihrer Rolle als Autor und Verleger professionell: Seit den späten 50er Jahren verfolgte Wieland das Ziel freier Autorschaft. Deshalb forderte er seitdem für seine Werke prinzipiell Honorar. Geßner war einer der ersten Verleger, der dies anerkannte.

Zur Kooperation reizte sicherlich auch die ästhetisch ansprechende Ausstattung der Geßnerschen Verlagswerke. Bereits Wielands ›Lobgesang auf die Liebe‹ von 1753 zierte eine kleine Titelradierung Geßners. Ein gelungenes Beispiel für Geßners Darstellungsweise ist etwa die Vignette zu Wielands ›Cyrus‹ von 1759, in der die kriegerischen Trophäen zur Idylle umgeschaffen sind, womit Wielands Abneigung gegen den Siebenjährigen Krieg subtil ins Bild gesetzt ist. ⓓ Die reichste Ausstattung ließ Geßner Wielands epochaler Shakespeare-Übersetzung zuteil werden: Neben einem gestochenen Bandtitel ⓔ schmückte jedes der Dramen eine originelle Kopfvignette. ⓕ

Umso enttäuschter war Wieland, als die ›Comischen Erzählungen‹ 1765 ⓖ und die ›Geschichte des Agathon‹ 1766/67, zwei seiner Hauptwerke im Geßnerschen Verlag, ohne eine solch gediegene Ausstattung erschienen. ⓗ Grund dafür waren Zensurprobleme, weswegen der wahre Erscheinungsort sowie Verlag und Autor ungenannt bleiben mußten. Die befürchteten Vertriebsschwierigkeiten und die unterdrückte Verlagsnennung ließen geringere Einnahmen erwarten; Buchschmuck war verräterisch und werbeunwirksam. Die anhaltenden Züricher Zensurprobleme sollten beide bald schon ihre Zusammenarbeit beenden lassen.

Leipzig: Weidmanns Erben und Reich

Die wichtigsten Repräsentanten der deutschsprachigen Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kamen aus den protestantischen Reichsgebieten. Nicht zuletzt deshalb erlebte der Buchhandel des nord- und mitteldeutschen Raumes einen immensen ökonomischen Aufschwung, während der katholisch dominierte süddeutsche Buchhandel an Attraktivität verlor: Leipzig wurde das Zentrum des deutschen Buchhandels und löste die Frankfurter Buchmesse ab, die in der Bedeutungslosigkeit versank.

Auch Wieland strebte u. a. der Züricher Zensurschwierigkeiten wegen einen Verlagswechsel nach Mitteldeutschland an. Philipp Erasmus Reich, Mitinhaber der Leipziger Weidmannschen Buchhandlung, ergriff die Chance: Er stattete alle seine Wieland-Editionen großzügig mit Vignetten und Kupferstichen aus, die oft aus der Werkstatt des Leipziger Akademie-Direktors Adam Friedrich Oeser kamen. Weidmanns Wieland-Ausgaben gehören zu den schönsten Erzeugnissen der deutschen Rokoko-Illustration.

1768 eröffnete die Weidmannsche Buch-handlung ihren Reigen Wielandscher Erstausgaben mit den Verserzählungen ›Idris und Zenide‹ und ›Musarion‹. ⓐ Unter den Werken, die Reich meist in der Dürrschen Buchdruckerei auf bestes holländisches Papier drucken ließ, stechen besonders die von Oeser illustrierten ›Grazien‹ ⓑ und ›Der Neue Amadis‹ ⓒ heraus. Während Wieland sich von Oesers ›Grazien‹-Illustrationen entzückt zeigte, hielt er die des ›Neuen Amadis‹ für mißglückt: »Die Kupfer sind alle gut exekutiert, aber die Erfindung macht unserm Oeser nur mittelmäßige Ehre. Er hat gerade die am wenigsten interessanten Situationen ausgewählt, und in den meisten Stücken vermisset man den Geist und das Poetische, welches sonst seine Erfindungen bezeichnet.« In seinem eigenen Handexemplar trennte Wieland die meisten Illustrationen heraus – ein Zeichen, wie sehr ihm Oesers Bebilderung mißfiel.

Nach 1780 nahm die Zahl reich illustrierter Editionen im Weidmannschen Verlag ab. Um das Bedürfnis nach besser ausgestatteten Ausgaben dennoch zu befriedigen, ließ man einfach Vorzugsausgaben auf schweres holländisches Papier abziehen, z. B. Wielands Übersetzung der Werke Lukians. ⓓ ⓔ

Allerdings brachte Wielands Bindung an Reich auch einen Nachteil mit sich: Der dominante Verleger zahlte zwar ordentliche Honorare, beteiligte seinen Starautor aber nicht am Gewinn. Das war um 1770 noch üblich, begann sich aber zu ändern. Denn erfolgreiche Autoren wie Wieland traten ihre Rechte mit dem Honorar meist nur noch für eine Auflage, nicht mehr für das Werk ab.

Reich umging die Zahlung neuer Honorarforderungen, indem er Neuauflagen als Erstdrucke ausgab: Die Neuauflagen wurden bei Bedarf neu gesetzt, und zwar als täuschend echte Kopien, sog. Doppeldrucke. Sie lassen sich nur an kleinen Textvarianzen erkennen. Manchmal ergaben sich aber auch erhebliche Abweichungen, wie das Beispiel der Erstausgabe und des Doppeldrucks von Wielands ›Musarion‹ zeigt. ⓕ ⓖ Den wirklichen Erstdruck eines Werkes zu ermitteln, ist daher eine wichtige Aufgabe der Textkritik.

Ein anderes Phänomen der Zeit ist der Nach- bzw. Raubdruck. Besonders süddeutsche Verleger ließen die wegen geringer Buchhandelsrabatte und hoher Transportkosten teuren und beliebten Artikel nord- und mitteldeutscher Verlage nachdrucken. Da es im 18. Jahrhundert kein verbindliches Urheberrecht gab, war es schwer, rechtlich gegen den Nachdruck vorzugehen.

Nachdrucker und ihre Käufer legten kaum Wert auf die hochwertige Buchausstattung der rechtmäßigen Originaldrucke, wie der Nachdruck der ›Grazien‹ von Christian Gottlieb Schmieder, dem wohl berüchtigsten Raubdrucker der Zeit, zeigt. ⓗ ⓘ Sie waren auf billigerem Papier und in einfachster Ausstattung gedruckt und erfreuten sich des geringen Preises wegen besonderer Wertschätzung. Zwar steigerten Raubdrucke die Bekanntheit der Autoren, schädigten sie aber auch, da Verleger wegen der Gefahr des Nachdrucks hohe Honorarzahlungen und Neuauflagen scheuten.

Weimar: Welterfolg ›Oberon‹

Im Jahr 1780 erschien Wielands Versepos ›Oberon‹ in seiner Zeitschrift ›Der Teutsche Merkur‹. ⓐ Von der Bedeutung seines neuen Werks überzeugt, ließ er zeitgleich eine Separatausgabe auf besserem Papier abziehen. ⓑ Seine Vorahnungen trogen nicht – ›Oberon‹ wurde Wielands erfolgreichste Dichtung.

Ein Charakteristikum von Wieland war die permanente Weiterarbeit auch an bereits erschienenen Werken. Das lag – neben seinem Streben nach Perfektion in Ausdruck und Versbehandlung – auch an der urheberrechtlichen Praxis seiner Zeit: Ein Schriftsteller konnte sich durch Überarbeitung und Fortschreibung sein Werk wieder aneignen und als ›neues‹ Werk z. B. an einen anderen Verleger verkaufen.

›Oberon‹ überarbeitete er mindestens fünfmal für Abdrucke als Einzel- ⓒ ⓓ ⓔ und in Sammelausgaben. Schon zu Lebzeiten erschienen zudem unzählige Nachdrucke und Übersetzungen. An der Universität Jena hielt Carl Leonhard Reinhold 1788 Vorlesungen über den ›Oberon‹ – und damit eine der ersten Vorlesungen über ein Werk der neueren deutschen Literatur überhaupt. Seine Einführungsvorlesung, im ›Teutschen Merkur‹ publiziert, ließ den ›Oberon‹ zugleich zu einem der Gründungs-dokumente der Germanistik werden. ⓕ

Früh schon hoben Zeitgenossen die Eignung des ›Oberon‹-Stoffes für bildkünstlerische Bearbeitungen hervor: »Warum hat Deutschland doch von diesem seinen Erstem Gedichte keinen Abdruck, dessen typographische Schönheit den französischen größern Dichterausgaben gleichkommt? Zu wie vielen vortrefflichen Kupfern fände hier der Künstler die reichsten Sujets!« Friedrich Köpken mußte nicht allzu lang auf die Erfüllung seines Wunsches warten: Um 1800 hatten bereits zahlreiche Künstler den ›Oberon‹ für sich entdeckt.

Lang und ansehnlich ist die Liste der ›Oberon‹-Illustratoren: Künstler von Adam Friedrich Oeser über Johann Friedrich Tischbein, Henry Fuseli und Joseph Anton Koch bis hin zu Carl Alexander Simon, Friedrich Preller d. Ä., Carl Rabus und Josef Hegenbarth ließen sich zu Illustrationszyklen inspirieren. Einer der frühesten Beiträge stammt von Daniel Chodowiecki, der auf seinen zwölf Almanach-Kupfern besonders die humoristischen Aspekte von Wielands Dichtung betonte. ⓖ

 Von der Anziehungskraft des ›Oberon‹ zeugt auch Johann Heinrich Füßlis Bilderzyklus, der im Kontrast zu Chodowiecki den Stoff ins Düster-Romantische verschob und ihm Aspekte der damals beliebten Schauerliteratur verlieh. ⓗ

Die intensivste bildkünstlerische Auseinandersetzung mit Wielands Epos stammt von Johann Heinrich Ramberg. ⓘ Er zählt zu den wichtigsten Buchillustratoren der Zeit um 1800 und fertigte 1803/04 ein eindrucksvolles Album mit 40 aquarellierten Federzeichnungen zum ›Oberon‹, ein Höhepunkt seines Schaffens. Rambergs Kompositionen oszillieren zwischen Empfindsamkeit und Ironie, Klassizismus und Romantik – allesamt Charakteristika von Wielands ›Oberon‹. So gelang es ihm, den Text kongenial ins Medium des Bildes zu übersetzen. Gleichwohl mußte das Album bis 2022 auf seine vollständige Publikation warten.

Selbstverlag

Der große Erfolg seines Romans ›Agathon‹ (1766/67) bei Lesern und Kritikern ermutigte Wieland 1771 zum Selbstverlag. Über seine Kontakte warben er und seine Freunde für eine überarbeitete Neuausgabe und sammelten vorab kaufwillige Interessenten, die sich in eine Subskriptionsliste eintrugen und damit die Abnahme der bestellten Exemplare garantierten. Doch das Experiment mißlang, da Wielands Netzwerk sich als nicht tragfähig genug erwies und der mit der Herstellung beauftragte Buchhändler nicht das nötige Kapital hatte, die Exemplare vorab herstellen zu lassen. Philipp Erasmus Reich rettete das Projekt; die Ausgabe erschien 1773 im Verlag der Weidmannschen Buchhandlung. ⓐ Die Subskriptionsliste wurde der Ausgabe beigebunden. ⓑ Sie belegt, daß Wieland als einer der ersten deutschsprachigen Autoren vom Adel gelesen wurde, der sonst französische Literatur bevorzugte.

Ein anderes Selbstverlagsprojekt Wielands führte dagegen zu einem schweren Konflikt mit Reich: 1784 sammelte Wieland seine wichtigsten Versdichtungen in überarbeiteter Form in einer eleganten, dem französischen Stil nachempfundenen Taschenausgabe in Antiqua. Er bediente sich dazu des Strohmanns Johann Michael Maucke, eines Jenaer Druckers und Buchhändlers, der offiziell den Vertrieb der Ausgabe übernahm. ⓒ Der erste Band enthielt allerdings Dichtungen, die Wieland dem Weidmannschen Verlag verkauft hatte. Der empörte Reich ließ den Band deshalb auf der Leipziger Messe mit dem Vorwurf des unrechtmäßigen Nachdrucks beschlagnahmen. Der Rechtsstreit konnte durch einen Vergleich beigelegt werden, in dem Wielands Recht auf Überarbeitung anerkannt und honoriert wurde. Die Ausgabe erschien von da ab allerdings wieder im Verlag der Weidmannschen Buchhandlung. ⓓ

Auch Wielands ›Teutscher Merkur‹ ist ursprünglich ein Selbstverlagsprojekt. ⓔ Von 1773 bis 1810 erschienen, gehört er zu den wichtigsten deutschsprachigen Zeitschriften des 18. Jahrhunderts. Monatlich informierte er über Kultur, Wissenschaft und Politik. Wieland veröffentlichte hier auch seine neuen Werke in Fortsetzungen, was wesentlich zum Erfolg der Zeitschrift beitrug. ⓕ Der Weimarer Verlag von Carl Ludolph Hoffmann handelte den ›Teutschen Merkur‹ zwischen 1774 und 1785 auf der Leipziger Messe, um Wieland beim Vertrieb der von ihm selbst verlegten und verschickten Zeitschrift zu entlasten: »Ich habe, um dieser Geist und Herz erdrückenden Sklavensorgen loszuwerden, mit dem hiesigen Buchhändler Hofmann des Verlages und der Spedition halben einen Akkord getroffen, der zugleich die Abtreibung des räuberischen Nachdrucks zum Nebenzweck hat.«

Die Hoffmannsche Verlagsbuchhandlung vertrieb aber auch einige Einzelwerke Wielands wie dessen satirischen Roman ›Die Abderiten‹. ⓖ Die Zusammenarbeit beruhte auf der Bedingung Wielands, diese Werke nur für eine Auflage abzugeben. Hoffmann vertrieb sie auf dem bedeutendsten Buchhandelsplatz, der Leipziger Messe, und bezahlte Wieland die Exemplare, die meist extra vom bereits stehenden Satz des ›Teutschen Merkur‹ abgezogen worden waren, in dem sie sämtlich vorab erschienen. Obwohl die Hälfte des Gewinns an Wieland ging, waren die Separatausgaben des berühmten Autors für den Hoffmannschen Verlag eine wichtige Einnahmequelle. Als jedoch die Verkaufszahlen des ›Teutschen Merkur‹ sanken und Wieland bei seinem Leipziger Verleger Reich bessere Konditionen für seine Werke auszuhandeln vermochte, konnte er auf die Einzelausgaben bei Hoffmann verzichten und die Zusammenarbeit wieder beenden.

Vom Selbstverlag zu Göschen

Der stets am Selbstverlag interessierte Wieland beteiligte sich auch an der von Karl Christoph Reiche initiierten und von Leopold III. von Anhalt-Dessau geförderten Buchhandlung der Gelehrten. Reiche vertrieb die von den Autoren meist selbst produzierten Ausgaben zu großzügigeren Konditionen als die regulären Verleger. Wielands Übersetzung der Horaz-Briefe ⓐ gehörte zu den ersten Werken, die in Dessau erschienen. Die Verlagskasse zahlte dem berühmten Autor ein Honorar von 500 Reichstalern für die von dem Weimarer Hofbuchdrucker Glüsing gedruckte Auflage von 2.000 Exemplaren, die Wieland in Anteile der Dessauer Verlagskasse umtauschte, eine wenig gewinnbringende Geldanlage. Vor allem der Widerstand der Leipziger Buchhändler, die die Dessauer Verlagsartikel boykottierten, ließ Reiches Unternehmung scheitern. Wieder sprang Philipp Erasmus Reich ein und übernahm Rechte und Vertrieb der restlichen 700 Exemplare von Wielands Horaz-Übersetzung. ⓑ 1785 erwarb Reiches leitender Mitarbeiter Georg Joachim Göschen den Dessauer Verlag und seine Bestände und führte ihn unter eigenem Namen weiter.

Wielands Hoffnung auf höhere Gewinne im Verlagsgeschäft verleitete ihn 1785 auch zur Beteiligung an Johann Michael Mauckes Jenaer Druckerei. Die Mauckesche Offizin besaß fünf Druckerpressen. Wieland regte an, seine eigenen Werke und Übersetzungen, die im Weidmannschen Verlag erschienen, bei Maucke drucken zu lassen, um eine bessere Textkontrolle während der Drucklegung zu haben. ⓒ Gleichzeitig profitierte er aber auch als Teilhaber an den Gewinnen aus Mauckes Druckgeschäft. Doch Querelen mit Reich über Papierkosten und Druckqualität sowie sein Desinteresse am Kaufmännischen ließen Wieland schon 1786 seine Anteile an Friedrich Justin Bertuch verkaufen: »Ihnen kann ein Anteil von 2/5 an dem Mauckischen Typographischen Geschäfte nicht wohl anders als profitabel sein; mir würde diese Sozietäts-Sache mehr Unruhe machen als der Vorteil wert wäre, und es ist und bleibt ausgemacht daß ich zu merkantilischen Geschäften eben so wenig tauge, als Sie hingegen dazu besondere Talente haben.«

Mit Georg Joachim Göschen betritt ein bedeutender Autoren-Verleger die Bühne des Buchhandels. Göschen verband hohes Berufsethos, ökonomische Erfahrung und literarisches Urteilsvermögen mit Interesse an technischen Neuerungen des Buchdrucks. Er verstand sich als Verleger klassischer, d. h. hochwertiger, mustergültiger Literatur, in deren Dienst er sich stellte. Durch und durch integer, verhandelte er fair und sensibel mit seinen Autoren. So gelang es ihm, Goethe, Schiller, Klopstock und weitere namhafte Autoren der Wieland-Zeit an seinen Verlag zu binden. Ab 1787 erschienen bei ihm z. B. die achtbändige Ausgabe der ›Schriften‹ Goethes, die Summe von dessen Weimarer Schaffen. ⓓ Zwar litt Göschens Enthusiasmus unter Goethes hohen Honorar­forderungen, dessen Kritik an Druck und Illustration und mangelndem Absatz. Dennoch überzeugt das im Vergleich mit anderen Ausgaben der Zeit überdurchschnittliche Ergebnis Göschens hinsichtlich klaren Drucks und gediegener Ausstattung.

Zu Wieland nahm er bereits 1785, kurz nach seiner Verlagsübernahme, persönlichen Kontakt auf. Seit 1786 kümmerte sich Göschen um den Vertrieb des ›Teutschen Merkur‹ und avancierte nach Philipp Erasmus Reichs Tod 1788 zu Wielands bevorzugtem Verleger. Die meist in der Leipziger Buchdruckerei Solbrig hergestellten Bände sind tiefschwarz auf gutes Papier abgezogen. Nach einer von Wieland herausgegebenen moralphilosophischen Schrift Leonhard Meisters ⓔ zeigen 1791 zwei Werke Wielands Verlagswechsel zu Göschen an: Die ›Neuen Götter-Gespräche‹ (1791) erschienen in zwei Varianten, einer günstigeren Fraktur-Ausgabe ⓕ und einer Vorzugsausgabe mit gestochenem Frontispiz und Antiqua-Lettern. ⓖ Auch bei Wielands Roman ›Peregrinus Proteus‹ sparte Göschen nicht an der Ausstattung. ⓗ

Buch- und Druckkunst

Während des 18. Jahrhunderts stiegen die Ansprüche der Buchliebhaber an Ausstattung und Druckqualität der Bücher. Vielbewunderte Luxuseditionen wie Jonathan Pines vollständig in Kupfer gestochene Horaz-Ausgabe von 1733 steigerten das Interesse an bibliophilen Klassiker-Ausgaben. ⓐ

Anders als der französische Buchmarkt, der den Bücherluxus besonders auf dem Feld der Illustration vorantrieb, begann mit John Baskerville der Aufstieg der typographischen Gestaltung. ⓖ Baskervilles Druckkunst regte auch außerhalb Englands typographische Neuerungen an. Wielands Werke profitierten von der neuen Entwicklung. Sein Ruf als führender Dichter deutscher Sprache veranlaßte sogar ausländische Drucker, elegante Drucke seiner Dichtungen herauszubringen. Der Schweizer Meisterdrucker Wilhelm Haas demonstrierte seine Künste 1780 an einem kontrastreichen Druck der ›Musarion‹ auf bestem Papier, der zudem reich mit Kupferstichen illustriert war. ⓑ Und im badischen Kehl erprobte Beaumarchais das Druckmaterial Baskervilles, das er für eine monumentale Voltaire-Ausgabe gekauft hatte, zuerst an einem eleganten ›Musarion‹-Druck. ⓒ

Das Interesse an Schriftgestaltung strahlte auch auf die Fraktur-Entwicklung aus. Die durch Baskerville und Didot im klassizistischen Stil modernisierten Antiqua-Schriften ermutigten auch deutsche Schriftschneider zum Experimentieren. Einige versuchten sich sogar an der Verschmelzung von Charakteristiken der Fraktur- und Antiqua-Typen. Immanuel Gottlob Breitkopf glich in seiner Lieder-Anthologie von 1793 seine Frakturtype behutsam der breit auslaufenden Antiqua an. ⓓ Die letzte Stufe seiner Reformbemühungen ist die noch gewagtere Jean-Paul-Fraktur, deren Name auf Jean Pauls ›Palingenesien‹ verweist, für die sie 1798 gebraucht wurde. ⓔ

Eine andere gelungene Reformfraktur ging auf den Berliner Verleger, Drucker und Schriftschneider Johann Friedrich Unger zurück, der sie u. a. für die Ausgabe von Goethes ›Wilhelm Meisters Lehrjahre‹ verwendete. ⓕ Sie wurde bis weit ins 20. Jahrhundert gern genutzt, so auch für die ersten drei Bände von Wielands ›Briefwechsel‹, den die Berliner Akademie der Wissenschaften seit 1963 herausgab.

Der in Birmingham ansässige Schreibmeister John Baskerville wollte die Qualität des Buchdrucks steigern und veröffentlichte nach jahrelangen Bemühungen 1757 seine legendäre Vergil-Edition, deren Druckbild durch eine eigens entworfene Schrift, spezielles Papier und nach dem Druck mit Heißpressen bearbeitete Druckbogen neue Standards setzte. ⓖ Im vorliegenden Exemplar vermerkte ein Besitzer: »Dieser Virgil ist in der de la Vallierischen Bücher Auction zu Paris mit 215 £ bezahlet.« Denn um 1770 gehörte diese Edition zu den kostbarsten Druckerzeugnissen überhaupt, so daß die baskervillesche Offizin selbst eine Fälschung der Erstausgabe auf den Markt brachte. Die Druckschrift orientiert sich an den filigranen Lettern, wie sie Pine in Kupfer gestochen hatte. ⓐ

Frankreich blieb nicht unbeeinflußt von diesen Tendenzen. Hier war es vor allem die Druckerdynastie Didot, die typographische Prachtwerke schuf. Der in nur 100 Exemplaren gedruckte Vergil von 1791 – hier mit den Kupfern einer Prachtausgabe von 1798 getrüffelt – stellt ihre Meisterschaft unter Beweis. ⓗ Die kontrastreichen Lettern mit ihren haarfeinen Serifen nutzen sich schnell ab, so daß sich die Druckqualität nur bei kleiner Auflage halten ließ. Die klassizistischen Lettern Didots regten den Jenaer Schriftschneider Johann Carl Ludwig Prillwitz zu einer etwas breiteren, für höhere Auflagen praktikablen Variante an, die Göschen für seine Wieland-Gesamtausgabe von 1794 nutzte.

Die umfangreiche Voltaire-Ausgabe, die Beaumarchais in Kehl in verschiedenen Ausstattungen drucken ließ, war das direkte Vorbild für Wielands Gesamtausgabe. Die geplante Ausgabe der Werke Voltaires in Großquart kam allerdings nicht zustande; nur wenige Einzelwerke erschienen in dieser luxuriösen Form, wie etwa Voltaires Epos ›La Henriade‹. ⓘ

Die Ausgabe letzter Hand

Die luxuriösen Editionen Baskervilles, Didots und Bodonis wurden zum Vorbild für Göschens gewagtestes Unternehmen: Die Wieland-Gesamtausgabe letzter Hand. Schon lange hatte Wieland eine Summe seines Schaffens ziehen wollen, doch sein Verlag, die Weidmannsche Buchhandlung, mochte darauf nicht eingehen. Göschen sah im Wunsch des Dichters seine Chance: Er versprach dem damals bedeutendsten deutsch­sprachigen Autor, ein gedrucktes Denkmal seiner Werke zu schaffen. Erst nach einem aufsehenerregenden Rechtsstreit mit der Weidmannschen Buchhandlung konnte die Ausgabe zwischen 1794 und 1802 erscheinen.

Göschens verwegener Plan sah eine Ausgabe in vier Formaten vor, die jeden Kundenwunsch erfüllen konnte. Eine Normalausgabe auf einfachem Papier sollte billig sein und Nachdrucker abschrecken. ⓑ Eine lesefreundliche Kleinoktavausgabe auf Velinpapier bediente die Bedürfnisse der vornehmen Damenwelt, ⓐ eine Großoktavausgabe auf Velin die Wünsche wohlhabender Bibliophiler. ⓒ Alles übertraf aber die Ausgabe in Großquart, ein wahres Monument und ein Muster dessen, was Druck und Illustration damals leisten konnten. ⓓ Zusätzlich erschien noch eine Kleinoktavausgabe auf etwas billigerem Schreibpapier, so daß die Edition in insgesamt fünf Varianten zu haben war. Auch organisatorisch waren Herstellung und Vertrieb der Ausgabe, die in sechs Lieferungen zu je fünf Bänden erschien, eine Meisterleistung. Göschen sorgte für beste Papierqualität und richtete seine Druckerpressen nach dem damals höchsten technischen Standard ein. Rückblickend bereute er nur, mangels Kenntnissen nicht selbst am Schriftschnitt gearbeitet zu haben.

Produktion und Absatz der Ausgabe während der Koalitionskriege gestalteten sich als äußerst schwierig, dennoch konnte sie dank Göschens Idealismus und Wielands Beliebtheit erfolgreich abgeschlossen werden. Nur die drei letzten Bände der Edition der Jahre 1805 bis 1811 erschienen nicht mehr in den teuren Varianten.

Wielands Editoren

Wieland selbst hat angegeben, Werke mehr als zehnmal überarbeitet und abgeschrieben zu haben, bevor er sie für den Druck freigab. Nur wenige Entwurfshandschriften haben sich indes erhalten. ⓐ Sie zeugen von der intensiven Arbeit des Dichters selbst an kleinen Textdetails. War das Werk gedruckt, durchlief das Werk für die Neupublikation wiederholt eine intensive Überarbeitung, wie Wielands ›Neuer Amadis‹ belegt. ⓑ Hier war der Erstdruck Ausgangspunkt für die Fassung letzter Hand. Für seine permanente Arbeit an den eigenen Texten war Wieland berüchtigt. Goethe merkte 1795 an, »daß ein verständiger, fleißiger Literator, durch Vergleichung der sämtlichen Ausgaben unsres Wielands allein aus den stufenweisen Korrekturen dieses unermüdet zum Bessern arbeitenden Schriftstellers, die ganze Lehre des Geschmacks würde entwickeln können.«

Seine ›Sämmtlichen Werke‹ setzten auch Maßstäbe in der Textredaktion. Wieland überarbeitete für sie das Gros seiner Werke und etablierte damit das Prinzip der ›letzten Hand‹ als verbindlichen Standard für autorisierte Sammelausgaben. Göschen ließ die Druckbogen für die besseren Ausgaben in Quart, Groß- und Kleinoktav abschließend noch einmal sorgfältig Korrektur lesen.

Die Ausgabe bot zu einigen Werken sogar Varianten früherer Ausgaben. ⓒ Darin war ihr die Kehler Voltaire-Ausgabe vorausgegangen. In den Variantenapparaten gab Wieland Einblicke in die Dichterwerkstatt, indem er manche Änderung poetologisch begründete.

Zum anderen dokumentierte er damit aber auch die rechtlich geforderte Neugestaltung, die seine Werke zu neuen Werken machte und ihm mit dem Urheberrecht auch die Verfügungsgewalt über seine bereits anderen Verlegern verkauften Werke zurückgab.

Wie die zahlreichen Erläuterungen belegen, die mit klarer Handschrift in einer zeitgenössischen Wieland-Ausgabe notiert sind, bargen Wielands anspielungsreiche und auf einer immensen Bildung basierende Texte schon zu seinen Lebzeiten so manche Herausforderung für den Leser. ⓓ Auch hier machte Wielands Ausgabe letzter Hand erste Angebote mit Anmerkungen und Glossaren, durch die der Autor dem Leser so manche Hürden des  Textverständnisses überwinden half. ⓔ

Wieland inspirierte auch die junge Disziplin der neugermanistischen Editionswissenschaft. Zwar wurden Schiller, Herder und Goethe schon vor ihm durch historisch-kritische Werkeditionen gewürdigt. Doch konnten die herkömmlichen lemmatischen Apparate den Prozeß der Textentstehung nur unzulänglich wiedergeben. ⓐ ⓕ Hier erwies sich Friedrich Beißners Methode des Apparates als bahnbrechend, die er erstmals an Entwurfshandschriften Wielands erprobte. ⓖ In seiner Abhandlung ›Neue Wieland-Handschriften‹ rekonstruierte er die zeitlichen Abläufe des Entwurfs in einer treppenartigen, leicht nachvollziehbaren Anordnung. Stellenweise kommentiert und interpretiert Beißner die Befunde. Mit der neuen Methode sah er sich in der Lage, die schwierigen Entwurfshandschriften Hölderlins zu edieren. Später kritisierte man seine Rekonstruktionen des Schaffensprozesses wegen ihres zuweilen spekulativen Charakters. Allerdings hatte Beißner selbst schon seine Darstellung als idealisierte Annäherung an den nicht rekonstruierbaren kreativen Prozeß beschrieben. Das Manuskript seiner bedeutenden Arbeit hat sich erhalten und wird heute im Wieland-Forschungszentrum aufbewahrt. ⓗ Die neue historisch-kritische Ausgabe von ›Wielands Werken‹ bedient sich dagegen einer synoptischen Darstellungsweise, die Wielands Änderungen zeilenweise erfaßt und die Abläufe des Schreibprozesses näher am Handschriftenbefund dokumentiert. ⓘ

Wieland im Almanach

Daß Wielands Popularität beim Lesepublikum auch nach 1800 nicht abnahm, zeigt sich an der Form seiner letzten Veröffentlichungen. Seine Briefromane und Erzählungen erschienen ab 1800 zunächst in den modischen Taschenbüchern und Almanachen.

Der Almanach ist eine französische Erfindung. Zwischen 1764 und 1833 erschien in Paris alljährlich der ›Almanach des Muses‹, der mit Gedichten und Rezensionen einen Überblick über die aktuelle Literaturszene gab. ⓐ Das Konzept wurde im deutschen Sprachraum leicht abgewandelt: Der typische Almanach erschien im Duodez- oder Sedezformat, enthielt ein Kalendarium und war mit einem Kranz kleiner Dichtungen beliebter Autoren, unterhaltsamen Aufsätzen, Kupferstichen und Musikstücken abwechslungsreich gestaltet, wie etwa in dem bei Göschen erschienenen Almanach ›Pandora‹. ⓑ

Eine möglichst bunte und vielfältige Einbandgestaltung reizte zusätzlich zum Kauf. Um 1800 erschien jeweils zum Jahresende eine Vielzahl solcher Almanache, die sich großer Beliebtheit als Geschenkartikel erfreuten. Taschenbücher unterschieden sich vom Almanach meist nur durch das fehlende Kalendarium.

Wieland selbst wandte sich erst spät dieser kurzweilige Unterhaltung bietenden Publikationsform zu. Doch schon in den Anfangsjahren der Almanach-Produktion wurde mit Wieland geworben – entweder mit einem Porträt-Frontispiz ⓒ, wie im ›Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1773‹, oder mit einer Illustrationsfolge zu seinem beliebten Roman ›Agathon‹ in dem zeitgleich publizierten Göttinger ›Musenalmanach‹. ⓓ Ende 1809 sieht man den prominenten Autor sogar auf einem szenischen Kupfer zusammen mit Napoleon in Göschens ›Kriegs-Kalender‹; das Gipfeltreffen von Kultur und Politik hatte 1808 in Weimar stattgefunden. ⓔ

Almanach-Verleger waren ständig auf der Jagd nach namhaften Autoren. So erhielt auch Wieland vermehrt Anfragen zu Beiträgen für das Genre. ⓕ ⓖ ⓗ ⓘ ⓙ Er würde »von einigen Buchhändlern, die dermalen an der Spitze der Taschenbuchs-Verleger stehen, so sehr um Beiträge geplagt, daß ich (zumal da mir Herder, Schiller und Goethe selbst mit ihrem ehrenvollen Beispiel vorgeleuchtet) dieser Ehrenmänner nicht länger zu erwehren wußte, und es also machte wie jenes Schwäbische Bauernmädchen, die von einem ihr gar nicht gefallenden aber sehr zudringlichen Freier so übel geplagt wurde, daß sie sich endlich erklärte: I muß de Narre eben nu nemme daß I seiner los werd.« 1803 firmierte er zusammen mit Goethe sogar selbst als Herausgeber auf dem Titel von Cottas ›Taschenbuch für 1804‹ – eine Behauptung aus Werbegründen, denn das Bändchen enthielt zwar nur Texte der beiden Autoren, wurde aber vom Verleger initiiert und zusammengestellt. 

Unter- und Hintergrund der Wielandschen Taschenbücher bilden hier die Jahrgänge des von Ramberg illustrierten Taschenbuchs ›Minerva‹. ⓚ Es enthielt Illustrationen zu Schillers und Goethes Werken.

Bibliophilie

Wielands Ruhm spiegelt sich in der Buchkunst bis zur Gegenwart. Die immense Hochschätzung, die ihm das frühe 19. Jahrhundert entgegenbrachte, zeigt sich etwa an Vinzenz Degens Prachtdruck der ›Musarion‹ von 1808. ⓐ Streng genommen ein Nachdruck, wurde es nicht für den Verkauf produziert. Degen sandte die wenigen gedruckten Exemplare als Werbedruck nur an hochstehende Persönlichkeiten – darunter Wieland, der sich von Degens Meisterwerk beeindruckt zeigte. Der Band sollte später zusammen mit dem ›Oberon‹ der Fürstenausgabe bei der Aufbahrung des Dichters im Bertuchhaus aufgestellt werden.

Auch der Historismus pflegte eine nicht weniger große Anhänglichkeit zum Großformat. Die Piloty-Schüler Gabriel Max und Gustav Adolf Closs gaben Wielands ›Oberon‹ in der Göschen-Monumentalausgabe von 1869 mit pseudomittelalterlichen Zügen eine fast wagnerianische Anmutung, während ihr phantastischer Orientalismus Anleihen bei Gustave Doré, dem bekanntesten französischen Buchillustrator der zweiten Jahrhunderthälfte, nahm. ⓑ

Josef Hegenbarth, ein Meister der Buchillustration im 20. Jahrhundert, wandte sich schon zu Anfang seiner Illustratorenlaufbahn Wielands zu. Für ›Oberon‹ schuf er zwischen 1922 und 1924 vierzig Zeichnungen. Erst 1991 wurde eine Auswahl aus dem Zyklus publiziert. ⓒ

Ab 1900 kamen die sogenannten Pressen-drucke in Mode, aufwendig produzierte, meist reich illustrierte Luxusdrucke in Kleinstauflagen. Erotische Themen steigerten die Exklusivität, vor allem, wenn die Bücher nur als Privatdruck vertrieben werden durften. Als solchen gab der Hesperos-Verlag 1920 Wielands ›Idris und Zenide‹ mit expliziten Illustrationen eines Lusch Luri heraus, offensichtlich ein Pseudonym, hinter dem sich wohl der Jugendstilkünstler Rolf Schott verbarg. ⓓ

Eigenartigerweise erschien ein Werk Wielands auch in der Reihe der ›Nibelungendrucke‹. Für ›Geron der Adelige‹ schuf Alois Kolb Holzschnitte, die auf die Kunstauffassung des Nationalsozialismus vorausweisen. Sich weiter von Stil und Thematik Wielands zu entfernen, scheint kaum möglich. Allerdings wäre auch kaum ein anderes Werk Wielands als Vorlage für einen derartigen Illustrationsstil denkbar wie diese düster-heroische Verserzählung aus dem Artus-Sagenkreis, die sich von seinem sonstigen Schaffen singulär abhebt. ⓔ

Ganz anders der junge Wiener Julius Zimpel, ein Neffe Gustav Klimts: Der vor allem als Buchillustrator und im Kunstgewerbe tätige junge Künstler versah Wielands Roman ›Don Sylvio von Rosalva‹ mit dekorativen, farbenfrohen Lithographien, die sich von den phantastischen Elementen und dem spanischen Ambiente des Romans inspirieren ließen. ⓕ

Auch die graphischen Künste des späten 20. Jahrhunderts fanden an Wieland Gefallen, wandten sich aber verstärkt seiner Märchendichtung zu. Gabriele Mott-Dreizler fertigte 1990 verspielte Radierungen zu Wielands satirischem Kunstmärchen ›Geschichte des Prinzen Biribinker‹, die auch die erotischen Aspekte der Handlung gebührend herauszuheben suchen. ⓖ