Weimar: Welterfolg ›Oberon‹

Im Jahr 1780 erschien Wielands Versepos ›Oberon‹ in seiner Zeitschrift ›Der Teutsche Merkur‹. Von der Bedeutung seines neuen Werks überzeugt, ließ er zeitgleich eine Separatausgabe auf besserem Papier abziehen. Seine Vorahnungen trogen nicht – ›Oberon‹ wurde Wielands erfolgreichste Dichtung.

Ein Charakteristikum von Wieland war die permanente Weiterarbeit auch an bereits erschienenen Werken. Das lag – neben seinem Streben nach Perfektion in Ausdruck und Versbehandlung – auch an der urheberrechtlichen Praxis seiner Zeit: Ein Schriftsteller konnte sich durch Überarbeitung und Fortschreibung sein Werk wieder aneignen und als ›neues‹ Werk z. B. an einen anderen Verleger verkaufen.

›Oberon‹ überarbeitete er mindestens fünfmal für Abdrucke als Einzel- und in Sammelausgaben. Schon zu Lebzeiten erschienen zudem unzählige Nachdrucke und Übersetzungen. An der Universität Jena hielt Carl Leonhard Reinhold 1788 Vorlesungen über den ›Oberon‹ – und damit eine der ersten Vorlesungen über ein Werk der neueren deutschen Literatur überhaupt. Seine Einführungsvorlesung, im ›Teutschen Merkur‹ publiziert, ließ den ›Oberon‹ zugleich zu einem der Gründungsdokumente der Germanistik werden.

Früh schon hoben Zeitgenossen die Eignung des ›Oberon‹-Stoffes für bildkünstlerische Bearbeitungen hervor: »Warum hat Deutschland doch von diesem seinen Erstem Gedichte keinen Abdruck, dessen typographische Schönheit den französischen größern Dichterausgaben gleichkommt? Zu wie vielen vortrefflichen Kupfern fände hier der Künstler die reichsten Sujets!« Friedrich Köpken mußte nicht allzu lang auf die Erfüllung seines Wunsches warten: Um 1800 hatten bereits zahlreiche Künstler den ›Oberon‹ für sich entdeckt.

Lang und ansehnlich ist die Liste der ›Oberon‹-Illustratoren: Künstler von Adam Friedrich Oeser über Johann Friedrich Tischbein, Henry Fuseli und Joseph Anton Koch bis hin zu Carl Alexander Simon, Friedrich Preller d. Ä., Carl Rabus und Josef Hegenbarth ließen sich zu Illustrationszyklen inspirieren. Einer der frühesten Beiträge stammt von Daniel Chodowiecki, der auf seinen zwölf Almanach-Kupfern besonders die humoristischen Aspekte von Wielands Dichtung betonte.

 Von der Anziehungskraft des ›Oberon‹ zeugt auch Johann Heinrich Füßlis Bilderzyklus , der im Kontrast zu Chodowiecki den Stoff ins Düster-Romantische verschob und ihm Aspekte der damals beliebten Schauerliteratur verlieh.

Die intensivste bildkünstlerische Auseinandersetzung mit Wielands Epos stammt von Johann Heinrich Ramberg. Er zählt zu den wichtigsten Buchillustratoren der Zeit um 1800 und fertigte 1803/04 ein eindrucksvolles Album mit 40 aquarellierten Federzeichnungen zum ›Oberon‹, ein Höhepunkt seines Schaffens. Rambergs Kompositionen oszillieren zwischen Empfindsamkeit und Ironie, Klassizismus und Romantik – allesamt Charakteristika von Wielands ›Oberon‹. So gelang es ihm, den Text kongenial ins Medium des Bildes zu übersetzen. Gleichwohl mußte das Album bis 2022 auf seine vollständige Publikation warten.