Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis

am Wieland-Forschungszentrum Oßmannstedt

Präambel

Das Wieland-Forschungszentrum hat sich zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis auf folgende Grundsätze und Verfahrensregeln verpflichtet mit dem Ziel, Grundprinzipien wissenschaftlichen Arbeitens wie Wahrhaftigkeit, Lauterkeit und Streben nach neuen Erkenntnissen zu folgen und zu vermitteln. Sie bestimmen die Arbeiten des Wieland-Forschungszentrums im Forschungsalltag im Sinne der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1998 festgeschriebenen, 2013 novellierten Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis durch Selbstkontrolle (http://www.dfg.de/gwp/).

§ 1
Gute wissenschaftliche Praxis

(1)   Die wissenschaftliche Arbeit des Wieland-Forschungszentrums folgt den in den Wissenschaften geltenden Grundprinzipien. Sie normieren jedwede Forschungstätigkeit am Forschungszentrum.

(2)   Beispiele guter wissenschaftlicher Praxis sind u. a.:

  • lege artis zu arbeiten
  • Resultate zu dokumentieren
  •  alle, die eigenen wie auch die fremden, Ergebnisse konsequent anzuzweifeln und zu überprüfen
  •  Wahrung strikter Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und Vorgängern und Achtung fremden geistigen Eigentums
  •  offene und konstruktive Zusammenarbeit und Leitungsverantwortung in den Arbeitsgruppen die Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses
  •  die Sicherung und Aufbewahrung von Primärdaten
  •  wissenschaftliche Veröffentlichung als Rechenschaftslegung vor der wissenschaftlichen Gemeinschaft
  •  strikte Wahrung der Freiheit der Forschung

(3)   Die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis obliegt allen Wissenschaftlern des Wieland-Forschungszentrums, jedem einzelnen wie auch insbesondere den Projekt- und Arbeitsgruppenleitern sowie dem Vorstand. Letztere tragen Sorge dafür, daß die organisatorisch-institutionellen Voraussetzungen für die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis gegeben sind.

§ 2
Wissenschaftliches Fehlverhalten

(1)   Das Wieland-Forschungszentrum e.V. verpflichtet sich darauf, alle Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Rahmen seiner Zuständigkeit zu vermeiden oder zu unterbinden. Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn die Standards der guten wissenschaftlichen Praxis bewußt oder grob fahrlässig verletzt werden. Dazu zählen Verstöße gegen ethische Normen, Falschangaben, manipulative Unterdrückung, interessengesteuerte Auswahl und Zurückweisung von Quellen, Texten, Darstellungen sowie Mißachtung geistigen Eigentums anderer ebenso wie die Behinderung der Forschung anderer.

(2)   Wissenschaftliches Fehlverhalten ist insbesondere gegeben bei:

1. Falschangaben wie

  • Erfinden, Verfälschen, Unterdrücken, Manipulieren relevanter Daten (Quellen, Belegen, Darstellungen oder Abbildungen) und die Auswahl und Zurückweisung unerwünschter Ergebnisse ohne Offenlegung
  • unwahre Angaben in einem Bewerbungsschreiben oder einem Förderantrag
  • unrichtige Angaben zur wissenschaftlichen Leistung

2. Verletzung geistigen Eigentums anderer durch widerrechtliche Bezugnahme auf:

  • ein von einem anderen geschaffenes urheberrechtlich geschütztes Werk
  • von einem anderen stammende wissenschaftliche Erkenntnisse, Hypothesen, Lehren oder Forschungsansätze, insbesondere durch
    • unbefugte Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft (Plagiat)
    • Ausbeutung von unpublizierten Forschungsansätzen und Ideen, insbesondere als Gutachter (Ideendiebstahl)
    • Anmaßung wissenschaftlicher Autor- oder Mitautorschaft ohne eigenen wissenschaftlichen Beitrag
    • Verfälschung des Inhalts
    • unbefugte Veröffentlichung oder unbefugtes Zugänglichmachen von Ergebnissen gegenüber Dritten, solange das Werk, die Erkenntnis, die Hypothese, der Lehrinhalt oder der Forschungsansatz noch nicht veröffentlicht ist
    • Inanspruchnahme der (Mit-)Autorschaft einer anderen Person ohne deren Einverständnis
    • willkürliche Verzögerung der Publikation einer wissenschaftlichen Arbeit, insbesondere als Herausgeber, Gutachter oder Mitautor

3.  Beeinträchtigungen der Forschungstätigkeit anderer durch

  • Sabotage von Forschungstätigkeit anderer wie z.B. durch
  • Beschädigen, Zerstören, oder Manipulieren der zur Durchführung und Dokumentierung der Forschungen notwendigen Hardware und Software
  • arglistiges Verstellen oder Entwenden von Büchern, Archivalien, Handschriften, Datensätzen
  • vorsätzliche Unbrauchbarmachung von wissenschaftlich relevanten Informationsträgern
  • Beseitigung von Primärdaten, soweit damit gegen gesetzliche Bestimmungen oder fachspezifisch anerkannte Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit verstoßen wird
  • unerlaubtes Vernichten oder unerlaubte Weitergabe von Forschungsmaterialien
  • Aufkündigung wissenschaftlicher Zusammenarbeit ohne Vorliegen hinreichender Gründe oder obstruierende Verhinderung der Publikation von Forschungsergebnissen als Mitautor. In solchen Fällen kann die Publikation der Daten auch ohne Einwilligung des die wissenschaftliche Zusammenarbeit beendenden Koautors und nach Genehmigung durch den Ombudsmann erfolgen, soweit keine urheberrechtlichen Gründe entgegenstehen

(3)   Mitverantwortung für das Fehlverhalten anderer durch aktive oder passive Beteiligung wie Mitautorschaft, Mitwisserschaft, grobe Vernachlässigung der Aufsichtspflicht sowie Verschleierung, Behinderung oder Verzögerung der Aufklärung und Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

§ 3
Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens

(1)   Zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zur Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens gelten am Wieland-Forschungszentrum Oßmannstedt folgende Regeln:

  • Auf die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens und guter wissenschaftlicher Praxis sind alle Mitarbeiter hinzuweisen und die Möglichkeiten wissenschaftlichen Fehlverhaltens angemessen zu thematisieren.
  • Bei der Durchführung von Forschungsaufgaben im Rahmen einer Arbeitsgruppe, sind die von den Einzelnen erzielten Forschungsergebnisse gegenseitig mitzuteilen, kritisch zu diskutieren und in einen gemeinsamen Kenntnisstand zu integrieren.
  • Leistungs- und Bewertungskriterien sind qualitativ zu parametrisieren. Interne und externe gutachterliche Tätigkeiten müssen den Kriterien der Unabhängigkeit, Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit genügen.
  • Primärdaten als Grundlagen zur Nutzung und Veröffentlichung sind auf haltbaren und gesicherten Trägern im Wieland-Forschungszentrum und/oder Institutionen der Kooperationspartner (Klassik Stiftung Weimar) für zehn Jahre aufzubewahren, sofern nicht spezielle Regelungen eine längere Aufbewahrung vorsehen (Langzeitarchivierung).

(2)   Es ist strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und Vorgängern zu wahren. Als Mit-Autoren dürfen nur diejenigen bezeichnet werden, die tatsächlich und wesentlich zur Konzeption, Erarbeitung (Analyse, Interpretation) des dokumentierten Forschungsergebnisses beigetragen und der Veröffentlichung zugestimmt haben. Arbeitsrechtliche Beziehungen zwischen den Beteiligten sind für die Begründung einer (Mit-)Autorschaft unerheblich.

§ 4
Ombudsperson

(1)   Als Vertrauensperson in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens steht allen jetzigen und ehemaligen Mitarbeitern des Wieland-Forschungszentrums eine Ombudsperson zur Verfügung. Sie wird aus dem Kreis der Mitglieder des Wieland-Forschungszentrums für die Dauer von drei Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist möglich.

(2)   Die Ombudsperson arbeitet unabhängig, ist nicht weisungsgebunden und erfüllt die Aufgabe einer unparteiischen Schiedsperson. Sie soll über ausgeprägte Erfahrungen in der Durchführung von Forschungsprojekten und in der Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses verfügen.

(3)   Die Ombudsperson berät den Vorstand des Wieland-Forschungszentrums in grundsätzlichen Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und kann dazu Empfehlungen aussprechen.

(4)   Die Ombudsperson ist für alle Mitarbeiter des Wieland-Forschungszentrums zuständig. Sie berät diejenigen, die sie über ein mutmaßliches wissenschaftliches Fehlverhalten informieren. Jedes Mitglied des Wieland-Forschungszentrums hat Anspruch darauf, die Vertrauensperson innerhalb kurzer Frist persönlich zu sprechen. Die Vertrauensperson prüft die Hinweise summarisch auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Bedeutung, auf mögliche Motive und im Hinblick auf Möglichkeiten zur Ausräumung der Vorwürfe.

§ 5
Ombudsverfahren

(1)   Das Ombudsverfahren zielt auf eine unbürokratische und objektive Schlichtung von Konflikten. Es besteht in einer unabhängigen Betrachtung des Streitfalles, der Abwägung der von den beteiligten bzw. betroffenen Personen vorgebrachten Argumente sowie der inhaltlichen Prüfung von Sachverhalten und Daten zum Zwecke einer für beide Konfliktparteien zufriedenstellenden Lösung. Der Ombudsman wird nur auf einen entsprechenden konkreten Hinweis einer betroffenen oder beteiligten Person hin tätig; eine eigeninitiativische Bearbeitung von Fällen ist ausgeschlossen.

(2)   Die Ombudsperson prüft unter Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und in freier Beweiswürdigung den Sachverhalt zunächst unter Plausibilitätsgesichtspunkten auf Konkretheit und Bedeutung sowie auf mögliche wissenschaftsferne Motive des Hinweisgebers. Hierfür kann sie Informationen und Stellungnahmen einholen. Sie sondiert die Möglichkeiten, die Vorwürfe auszuräumen, berät die Beteiligten und versucht, zwischen ihnen zu vermitteln.

(3)   Dem Betroffenen sind die belastenden Tatsachen und gegebenenfalls Beweismittel unverzüglich mitzuteilen. Ihm sowie dem Hinweisgeber sind Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, auf ihren Wunsch auch in mündlicher Aussprache. Betroffener wie Hinweisgeber können eine Person ihres Vertrauens als Beistand hinzuziehen.

(4)   Die Mitwirkung in einem Ombudsverfahren ist für die Mitarbeiter des Wieland-Forschungszentrums verbindlich und unterliegt nicht der freiwilligen Entscheidung des bzw. der Einzelnen.

(5)   Die Ombudsperson kann auf der Basis der durch Prüfung aller vorgelegten Informationen und Stellungnahmen erlangten Erkenntnisse eine Empfehlung zur Konfliktbeilegung aussprechen. Eine solche Vereinbarung ist einschließlich einer Fristsetzung für die Umsetzung schriftlich zu fixieren.

(6)   Zum Schutz der Hinweisgebenden und der von einem möglichen Verdacht Betroffenen erfolgt die Arbeit der Ombudsperson mit höchster Vertraulichkeit, die von allen Beteiligten auch über den Abschluß des Verfahrens hinaus strikt zu wahren ist. Ein Bruch der Vertraulichkeit ist als Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, unter Umständen auch als wissenschaftliches Fehlverhalten zu werten. Dem Hinweisgeber ergeben sich aus der Anzeige keine Nachteile für das eigene wissenschaftliche und berufliche Fortkommen.

(7)   Die Unterlagen der förmlichen Ombudsverfahren sind 30 Jahre aufzubewahren.

(8)   Liegt nach Prüfung aller vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen ein hinreichender Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten i. S. von § 2 dieser Satzung vor, so übergibt die Ombudsperson die Angelegenheit an den Vorstand des Wieland-Forschungszentrums. Vorstand und Ombudsmann besprechen den Fall mutmaßlichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens kollegial und nichtöffentlich und klären, ob wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, um ggf. Empfehlungen für dessen Sanktionierung auszusprechen. Sie treffen ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des 1. Vorsitzenden des Wieland-Forschungszentrums. Vorstand und Ombudsmann können im Einzelfall weitere Personen als Experten hinzuziehen, so z. B. Ombudspersonen der Klassik Stiftung Weimar.

(9)   Sie entscheiden, ob das Verfahren einzustellen und wie die beschuldigte Person zu rehabilitieren oder ob ein wissenschaftliches Fehlverhalten hinreichend erwiesen ist. Im letzteren Fall legen sie die zu treffenden Maßnahmen fest. Es ist zu klären, ob und inwieweit andere Wissenschaftler (frühere und mögliche Kooperationspartner, Koautoren), wissenschaftliche Einrichtungen, wissenschaftliche Zeitschriften und Verlage (bei Publikationen), Fördereinrichtungen und/oder Wissenschaftsorganisationen, Standesorganisationen, Fachgesellschaften, Ministerien und/oder die Öffentlichkeit benachrichtigt werden sollen oder müssen und ob arbeits-, zivil-, strafrechtliche oder ordnungsrechtliche Maßnahmen mit den entsprechenden Verfahren einzuleiten sind (s. Anlage: Mögliche Konsequenzen wissenschaftlichen Fehlverhaltens).

§ 6

Inkrafttreten

Diese Satzung tritt mit ihrer Bekanntmachung in Kraft.

Anlage

Nicht abschließende Übersicht über mögliche Konsequenzen bei wissenschaftlichem Fehlverhalten:

1.  Arbeitsrechtliche Konsequenzen (z.B. Abmahnung, Kündigung, Vertragsauflösung).

2.  Akademische Konsequenzen (Benachrichtigung der Hochschule, die den akademischen Grad verliehen hat, sofern das wissenschaftliche Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Erwerb der akademischen Qualifikation gestanden hat).

3.  Zivilrechtliche Konsequenzen

  • Erteilung eines Hausverbots;
  • Herausgabeansprüche gegen den Betroffenen, etwa auf Herausgabe von entwendetem wissenschaftlichen Material;
  • Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche insbesondere aus dem Urheberrecht;
  • Schadensersatzansprüche des Wieland-Forschungszentrums oder Dritter bei Personenschäden, Sachschäden oder dergleichen.

4.  Rückforderungsansprüche nach Zivil- oder Verwaltungsrecht (z. B. bezogen auf Stipendien, Drittmittel, haushaltsrechtliche Zuwendungen).

5.  Straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen, z. B. bei

  • Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (§ 202a StGB: Ausspähen von Daten, § 204 StGB: Verwertung fremder Geheimnisse);
  • Vermögensdelikten (§ 242 StGB: Diebstahl; § 246 StGB: Unterschlagung; § 263 StGB: Betrug; § 264 StGB: Subventionsbetrug; § 266 StGB: Untreue);
  • Urkundenfälschung (§ 267 StGB: Urkundenfälschung);
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB: Sachbeschädigung; § 303a StGB: Datenveränderung); Urheberrechtsverletzungen (§ 106 Urheberrechtsgesetz: Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke).

6.  Widerruf von wissenschaftlichen Publikationen, Information der Öffentlichkeit bzw. der Medien:

  • Wissenschaftliche Publikationen, die aufgrund wissenschaftlichen Fehlverhaltens fehlerbehaftet sind, sind zurückzuziehen, soweit sie noch unveröffentlicht sind, und richtigzustellen, soweit sie veröffentlicht sind (Widerruf); Kooperationspartner sind, soweit notwendig, in geeigneter Form zu informieren. Hierbei soll im Vorfeld eine Beratung durch die Ombudsperson erfolgen. Grundsätzlich sind dazu die Autorinnen und Autoren und die beteiligten Herausgeber verpflichtet; werden diese nicht tätig, leitet das Wieland-Forschungszentrum die ihm möglichen geeigneten Maßnahmen ein.
  • Wurde wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt, unterrichtet das Wieland-Forschungszentrum andere betroffene Forschungseinrichtungen bzw. Wissenschaftsorganisationen. In begründeten Fällen kann auch die Informierung von Berufsorganisationen oder wissenschaftlichen Fachgesellschaften angebracht sein.
  • Das Wieland-Forschungszentrum kann insbesondere zur Wahrung des Vertrauens in seine wissenschaftliche Redlichkeit bzw. zur Wiederherstellung seines gefährdeten wissenschaftlichen Rufes (bzw. des Rufes eines Mitarbeiters) verpflichtet sein, betroffene Dritte und die Öffentlichkeit zu informieren. Das Einverständnis der oder des jeweils Betroffenen ist anzustreben.