Internationale Fachtagung, 15. –17. September 2022 Goethe-und Schiller-Archiv, Weimar
Christoph Martin Wieland avancierte im letzten Drittel des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Übersetzungen zum europaweit bekanntesten deutschsprachigen Autor, in dessen Gefolge erst die internationale Übersetzungsrezeption der aus heutiger Sicht kanonisch erscheinenden Autoren wie Goethe oder Schiller einsetzte. Diesem Phänomen des Aufbaus und der Gestaltung eines »mehr oder weniger freyen geistigen Handelsverkehrs« (Goethe), das im Kontext aktueller Debatten um die Voraussetzungen und Bedingungen von ›Weltliteratur‹ als ideale historische Fallstudie besonderes Interesse beanspruchen darf, widmet sich die Tagung des Instituts für Romanische Philologie der Universität Marburg und des Wieland-Forschungszentrums Oßmannstedt.
Aktuelle Debatten zur ›world literature‹ beschäftigen sich intensiv mit der Frage nach den Agenten der Zirkulation, den ›gatekeepers‹ und den inhaltlichen und stilistischen Voraussetzungen, die den Zugang zum Weltliteraturmarkt regulieren. Wielands literarische Praxis und die internationale Verbreitung seiner Werke durch Übersetzungen hat als früher und exemplarischer Fall zu gelten. An ihm lassen sich viele der Mechanismen, die die Weltliteraturforschung anhand des Literaturmarkts ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts untersucht, schon Ende des 18. Jahrhunderts beobachten.
Da der Transfer von Wielands Werken in andere Sprachen ebenso viel Interesse für sich beanspruchen darf wie die Übersetzungen selbst, konzentriert sich die Tagung nicht nur auf die Analyse einzelner Übersetzungen. In den Blick genommen werden auch die spezifischen Kontexte, in dem die jeweiligen Übersetzungsleistungen stehen. Auf diese Weise werden auch die die Kulturtransfers determinierenden Gelehrtennetzwerke thematisch und wichtige europäische Wieland-Propagatoren wie Michael Huber, John Richardson oder Michiel Salom in den Blick genommen.